Freitag, 9. Dezember 2011

igekauft und igekocht

































Klammert man ideelle und ästhetische Motivationen aus, entsprechen Kochbücher nicht der modernen Leistungsgesellschaft, die vor Spontanität, Mobilität und Flexibilität strotzt. Die teils monumentalen Werke passen nicht in die Handtasche, weswegen eine Speiseplanung im Vorfeld erforderlich ist: Zutaten müssen handschriftlich in eine Einkaufsliste übertragen und die Mengenangaben noch multipliziert oder dividiert werden, um sie der Teilnehmerzahl der Mahlzeit anzupassen. Kurzum: Kochbücher sind mühsam, schwer, unhandlich und sperrig. Sie verschmutzen bei regem Gebrauch, nutzen ab und sind vergleichsweise teuer.

Abhilfe bieten Smartphones oder Tablet-PC´s, in die Millionen von Rezepten passen, knitter- und faltenfrei, stets verfügbar, vorausgesetzt man besitzt die richtigen Applikationen. Zu den iOS-Geräten (Internetwork Operating System) im iTunes Store findet sich beispielsweise haufenweise Software zum Download, die über 160 Millionen Nutzer weltweit von iPhone, iPod touch und iPad erwerben können. Die Preise der Programme reichen bis hin zu 7,99 Euro, teilweise sind sie sogar gratis. Das kulinarische Spektrum erstreckt sich von italienischen über marokkanischen bis hin zu japanischen Rezeptsammlungen.

Die meisten Applikationen finden sich passend in der Rubrik „Lifestyle“. Die ersten fünf Plätze der App-Charts wurden Anfang des Jahres sogar von diesem Themenbereichen angeführt: Auf Platz 1: „Polettos Kochschule“, wobei es sich um digitalisierte Auszüge aus den Kochbüchern der Spitzenköchin handelt, die entsprechend aufbereitet und erweitert wurden. Die Menüführung ist simpel, die Warenkunde fundiert und informativ, die Gerichte und Bilder ansprechend. Über Suchfunktionen lassen sich bestimmte Produktgruppen eingrenzen, die Zutaten eines Rezepts in eine Einkaufsliste übertragen. Für nur 0,79 Cent hat das Programm den Rang eindeutig verdient.

Etwas mager präsentierte sich im Vergleich der 2. Platz, der von „Schlank und Fit - Abnehm-Rezepte“ in Beschlag genommen wurde. Den Rezepten fehlte teils das professionelle Fingerspitzengefühl (als Alternative zu Sojasoße wird Tabasco empfohlen; die Zutaten sind teils für eine, zwei, vier oder sechs Personen ausgewiesen und können nicht umgerechnet werden und Eier werden mal mit „groß“ und mal mit „M“ deklariert), die Menüführung war bis dato unausgegoren (keine Suchfunktion, kein Einkaufskorb). In einer Rezensionen schreibt ein User es handele sich um „Geldmacherei mit einer Mogelpackung.“ Dem kann man zustimmen.

Den 3. und 4. Platz belegten „Rezepte“ und „Kochmeister 60.000 Rezepte“. Bei den Apps handelt es sich um die Webseiten Rezeptewiki.org und Kochmeister.de, deren Usability an die mobilen Endgeräte angepasst wurde. Der nutzergenerierte Inhalt wird größtenteils von passionierten Hobbyköchen erstellt. Die Rezepte sind entsprechend uneinheitlich, teils auch ungenau, aber trotzdem dienen die zahllosen Kochideen, von bodenständig bis ausgefallen, als grobe Richtlinie und spontane Inspiration. Hervorzuheben ist außerdem die schöne Funktion, sich Mengenangaben auf die entsprechende Personenzahl umzurechnen und in eine virtuelle Einkaufliste zu übertragen: Kurz nach der Arbeit, in der U-Bahn, im Bus.

Der 5. Platz fällt etwas aus dem Raster und hat es sich zur Aufgabe gemacht,  loriot´schen Debatten am Frühstückstisch vorzubeugen: „Die perfekte Eieruhr“. Das Programm verlässt sich nicht auf sein „Gefühl“, sondern arbeitet streng wissenschaftlich: Da wird das Ei mittels der Touchscreenfunktion des Displays ausgemessen, die Höhenmeter - wegen des Luftdrucks - und die Ausgangstemperatur des Eis festgelegt, danach der gewünschte Garzustand eingegeben. Beeindruckend dabei: Es funktioniert! Auch wenn, zugegebenermaßen, ein mit durchschnittlichen Fähigkeiten ausgestatteter Mensch im Stande ist, ein Ei auch ohne den Beistand eines Smartphones zu kochen. Solange er nicht auf dem Mount Everest frühstückt.

Aber auch abseits der Charts finden sich interessante Programme. Die App „Italienisch Kochen“ besticht durch Qualität und nicht durch Quantität, die Rezepte sind weitestgehend exakt, die Zubereitungsschritte detailliert. Die ausschließlich in englischer Version erhältliche Software „Thai Food & Recipes“ kränkelt zwar an verschiedenen Stellen, hat aber den Vorteil, dass zahlreiche Videos verlinkt wurden – eine Dienstleistung, die noch keineswegs zum Standard gehört. Was außerdem den Applikationen fehlt, ist eine Schnittstelle zum Drucker, denn angeblich werden die Programme vorwiegend zur schnellen Planung und zum Einkauf genutzt, aber in der Küche doch lieber mit einem Papierausdruck gearbeitet.

Für die iOS-Geräte existieren auch Back- und Cocktailrezepte oder Software, die hilft, korrespondierende Weine zum Essen grob einzugrenzen. Und da die digitale Welt bekanntlich in jede Nische drängt, gibt es auch Brathilfsprogramme wie „iSteak“ oder „Steak Master“, die den Takt angeben, um Fleisch à point zu garen. Aber Vorsicht, wie Kochbücher haben auch iOS-Geräte ihre Tücken: Wegen des Displays weisen sie einen hohen Energieverbrauch auf, weswegen in jedem Fall das Ladekabel mit in die Küche sollte. Nicht auszudenken, wenn zwischen blutig und medium der Akku ausfällt. Dann wäre nicht nur die Investition für die Applikation verbraten.

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