Freitag, 20. April 2012

PLACEB(I)O

Verspüren Sie nach einem herzhaften Biss in einen Bioapfel wie auf magische Weise neue Lebenskraft, weil Sie überzeugt sind, dass ihr Immunsystem vor Freude nur so Purzelbäume schlägt? Sprechen nur Bio-Tomaten ihre verwöhnten Geschmacksknospen an? Assoziieren Sie mit dem Wort Bio-Kartoffel, von Hand geerntete Erpel vom Feld des kleinen Pröddelbauers von nebenan?

von Victoria von der Haar

Dann herzlich Willkommen im Obstgar…ähh Irrgarten der Vorurteile. Werden die drei Stereotype auseinanderklamüsert, stellt sich nämlich schnell heraus, dass uns unser Zentralnervensystem jahrelang belogen und betrogen hat. Die Einbildung, dass die gesamte Bandbreite an Bioprodukten gesünder, schmackhafter und umweltschonender ist, ist ein Streich unserer Sinnesorgane, die eine Liaison mit unserem Gewissen eingegangen sind. 

Wer kennt es nicht, das auffallend grüne Bio-Gütesiegel, welches sich in unsere Köpfe eingebrannt hat und vielen suggeriert, dass Bio die amtliche Bestätigung der Gesunderhaltung ist. Totaler Humbug. Ein positiver Effekt der Lebensmittel auf unsere physische Konstitution konnte bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Gesundheitsfördernd sind die die Produkte eher für die Verkäufer, denn der Bio-Boom trägt Früchte: Nach Angaben der Marktforschungsinstitute in Deutschland stieg allein 2010 der Gesamtumsatz um ca. 2 % auf etwa 5, 9 Milliarden Euro.

Auch die sensorischen Qualitäten halten einen bitteren Beigeschmack bereit: Bei diversen Verkostungen schmeckten den "Versuchskaninchen" oft nur das Bioprodukt besser, wenn vorher kenntlich gemacht wurde, dass es sich um ein solches handelt. Anscheinend besitzen wir einen eigenen "inneren Geschmacksverstärker" der beim Verzehr von Bioprodukten ausgelöst wird. Ein klarer Fall von Erwartungspsychologie.

Desillusionierend ist auch die Wahrheit der Regionalität. Bio ist nicht gleichzusetzen mit den Erzeugnissen aus heimischem Anbau. Beim Verzehr einer Bio-Karotte kitzelt nicht ein Möhrchen aus Oma Helgas geheimer Gemüsegartenzüchtung ihren Gaumen. Anstatt des Ochsengespannes "karren" kerosinsaugende Flugzeuge den Großteil des Gemüses in unsere Heimat. Grund dafür ist, die durch die rasant gestiegene Nachfrage entstandene Massenproduktion, welche nicht von den hiesigen Bio-Bauern bewältigt werden kann. Rund 41.000 Tonnen Bio-Möhren wurden nach Angaben der Importeure in den Jahren 2009/2010 nach Deutschland verfrachtet. Da kann Oma Helga säen bis sie grau wird.

Wir sollten in den sauren Apfel beißen und uns eingestehen, dass wir gelegentlich nicht Herr unserer Sinne sind und uns vom vermeintlichen "Heile Welt"-Image der Bio-Produkte manipulieren lassen. Wir mampfen ein Scheinmedikament. Ein Placeb(i)o.

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