Hendrik Thoma bringt in dem Internetformat Tvino.de den Usern das Thema Wein näher (Foto: Tvino) |
Das Internetformat Tvino.de des Master Sommeliers ist nicht nur ein herausragendes, modernes und längst überfälliges Konzept, es bietet auch Zündstoff für eine Grundsatzdiskussion, weil es fast reformatorisches Gedankengut transportiert
Hendrik Thoma sagt, dass der Weinbranche in den vergangenen Jahren etwas abhanden gekommen sei. Die Gegenfrage lautet, ob sie es jemals besaß: Unvoreingenommenheit, Unbeschwertheit und Leichtigkeit zu kommunizieren; die pure Lust an Lebensqualität, die ein guter Tropfen offeriert, mit geringer Investition und Trinkfreude, auch wenn man sein Geschmacksempfinden nicht in präzisen Fachworten artikulieren kann.
Wein war schon immer ein edles Produkt. In der Antike, als das Getränk noch wie lauwarmer Glühwein schmeckte, ebenso wie im Mittelalter, als er in Spelunken aus Krügen gesoffen und an den Fürstenhöfen in Silberkelchen kredenzt wurde. Wein war auch schon immer der edlere Alkohol, weil sich die Reben nicht in der Dreifelderwirtschaft kultivieren ließen, sich nicht dem industriellen Rhythmus anpassten. Weil dem Ausbau Zeit gegeben wurde und eine Wissenschaft rund um den Wein entstand.
Der daraus resultierende höhere Preis zog nicht nur eine Trennlinie zwischen guter und schlechter Qualität, sondern auch zwischen Ober- und Unterschicht. Viele Jahrhunderte beschränkte sich hochwertiger Weingenuss auf die gehobenen Kreise. Eines war Wein jedoch nie: elitär. Das waren schon eher die Konsumenten und auch das komplexe Fachwissen wurde dazu stilisiert.
So entstand eine Nische, in die sich die Experten zurückgezogen haben, sich damit brüsten und sich selbst auf ein Podest heben. Winzer mystifizieren ihre Kellerarbeit. Weinexperten überschlagen sich mit Fachtermini. Sommeliers schwingen beim Tischseminar die joviale Wortkeule: vom Terroir über die Öchslegrade bis hin zur malolaktischen Gärung. »In der Außenwahrnehmung werden wir bestenfalls als schöngeistig empfunden, oft auch als abstrakt, besserwisserisch, arrogant. Und die normalen Menschen auf der Straße fühlen sich nicht abgeholt«, sagt Hendrik Thoma.
Selbst bei einer miserablen Beratung wird der Gast oft degradiert. Er wird mundtot gemacht, weil er dem Wissen des Sommeliers nichts entgegenzusetzen weiß oder Angst hat, wegen seines semi-professionellen Wissens belächelt zu werden. Er ist überfordert, weil er die Geschmacksnuancen schlicht und ergreifend nicht schmeckt. Im schlechtesten Fall spendet er dem Weinkellner seine Anerkennung, sieht zu ihm auf und hat keinen Mut zur eigenen Meinungsbildung. »Wir haben in der Branche total versäumt, uns transparent zu machen. Trotzdem haben wir es geschafft, den Menschen zu vermitteln, dass wir interessant, klug und toll sind – aber ohne eine Antwort zu liefern, warum. Wenn wir das auch sagen würden, wären wir nichts Besonderes mehr«, erklärt der Master Somelier.
Es wäre jetzt allerdings zu einfach, dem Fachpersonal in der Luxushotellerie eine Profilneurose anzudichten. Viel wahrscheinlicher ist, dass
die meisten Somaliers gedanklich
noch in der Vergangenheit weilen;
dass sie noch in der Zeit festhängen,
in der die Korkeiche den einzig universellen Verschlusszylinder lieferte und Trauben mit Minderwertigkeitskomplexen vom Rebstock hingen, weil sie nicht in Frankreich wachsen durften. Vielleicht auch, weil früher die Klientel eine andere war: Das Fachpersonal musste sich mit erzkonservativen Connaisseuren auseinandersetzen, die meist schon wussten, was sie wollten, oder aber mit der High Society, welche die Flaschen anhand der Preise auswählte.
Heute muss der Sommelier mehr denn je mit den Menschen kommunizieren – Menschen aus allen Bevölkerungsschichten. Er muss unvoreingenommen sein, unbefangen an Wein-Speisen-Kombinationen herangehen, aber vor allem muss er unparteiisch in puncto Status oder Preis eines Weines bleiben. Letzteres ist vielleicht ein Kernpunkt, denn ein hochwertiger Wein muss nicht teuer sein, der Genuss kann auch weniger solventen Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden. Das allerdings geschieht leider nicht offensiv genug.
Aber was bitteschön hat das nun alles mit einem Internetformat zu tun? Sehr viel! Wie bei den meisten guten Portalen ist die konzeptionelle Idee von Tvino.de simpel. Hauptpfeiler des Videoblogs mit angeschlossenem Onlineweinshop sind Filmbeiträge, moderiert von Hendrik Thoma. Er verkostet vor laufender Kamera verschiedene Weine, erklärt und beurteilt sie; zeitgleich können die Flaschen in den virtuellen Warenkorb gelegt werden. Auch wenn sich Thoma natürlich über gute Umsätze freut, wird die Bilanz doch nicht allein anhand von Zahlen gezogen.
»Ich wollte Menschen immer für Wein begeistern«, sagt der redselige Master Sommelier und driftet in seinen Sendungen gern mal ab, liefert fundiertes Weinwissen, gespickt mit netten Anekdoten – alles ohne überkandidelten Sprachgebrauch, vielmehr mit einer herzigen Metaphorik, die auch Laien nachvollziehen können. »Ich verstehe, dass jedes Genre seine Fachsprache hat, verdient und auch benötigt. Aber eine Säule unserer Arbeit ist die Dienstleistung. Wir müssen lernen, normal zu reden, und mit dieser akademischen Sprache aufhören.«
Natürlich werden spezifische Aromen von ihm gefiltert und benannt. Ein Sancerre riecht klar und sauber, schmeckt belebend. Ein Silvaner ist ein rustikaler Wein, den man draußen trinkt. Weine sind bei ihm pikant und würzig, haben Wärme im Glas. Thoma nimmt sich und seine Branche auf die Schippe, wenn ein Wein nach »links gerittenem Pferdesattel auf einem weißen Schimmel mit zwei schwarzen Punkten« duftet.
»Ich höre oft die Äußerung: ›Ich trinke gern Wein, aber ich weiß nicht welchen.‹ Zu solchen Aussagen kommt es, weil wir den Leuten nicht gesagt haben, dass Wein auch nach Kaugummi, Coca- Cola oder Pflaumenmus schmecken kann. Die breite Masse der Wein- trinker ist verunsichert, sie vertrauen ihrem eigenen Urteil nicht.«
Im Grunde macht Thoma mit Tvino.de das vor, was ein guter Sommelier im Hotelrestaurant leisten sollte. Er sieht darin sogar dieWeiterentwicklung seines Berufes, nur dass er sich anderer Kanäle bedient. Der Gast wird zum User, dem er gute Weine empfiehlt und Grundlagen vermittelt. Einziger Parameter ist übrigens Hendrik Thoma, denn er wählt alle Weine aus. Sogar sein Kooperationspartner Hawesko lässt ihm diesbezüglich freie Hand.
Selbst den direkten Austausch mit den Kunden – auf den viele Weinvertriebe keinen Wert legen – scheut der Sommelier nicht. Das Internetformat versteht sich als Social-Media-Plattform. Über Facebook und Twitter tritt Thoma mit seinen Zuschauern in Dialog. Knapp 5.000 Kunden sind mittlerweile registriert, verfolgen seine Nachrichten und Filme – manchmal sogar aus den Hotels, in denen Thoma als digitaler Mentor der Auszubildenden fungiert. Ein guter Ansatz, denn der Master Sommelier vermittelt Spaß und Freude am Wein und beendet seine Sendungen stets mit dem Satz: »Nur ihr bestimmt, was ins Glas kommt.«
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